Johannes Steinbeck                Der Kaiser lebt!

1846 – 1889                                       

„Der Kaiser ist tot!“ Die Trauerkunde bebt

Durchs deutsche Volk. „Der Kaiser Wilhelm tot!“

Um uns ist Nacht. Und doch, das Morgenrot

Des neuen Tages flammt: Der Kaiser lebt!

 

Gewiß, er lebt! Sein treuer Geist umschwebt

Lebendig uns in dieser Zeit der Not.

Den Geist vernichten kann kein Leibestod;

Es lebt das Reich – in ihm der Kaiser lebt.

 

In letzter Stund’ gab er dem fernen Sohne

Das Losungswort, dem Erben seiner Krone:

„Ich habe jetzt nicht Zeit, um müd’ zu sein!“

 

Der Kaiser lebt! Fern in des Südens Zone

Spricht Friedrich stolz, mit ihm stimmt Deutschland ein:

„Wir haben jetzt nicht Zeit, um müd’ zu sein!“

 

 

 

 

 

 

 

 

Johannes Steinbeck                Die alten Soldaten am Sarge König Ludwigs II.

1846 – 1889                                        „o welch ein edler Geist ist hier zerstört!“ (Hamlet)

 

Nun senkt die Fahnen! Dumpfer Wirbel dröhne!

Ihr Kameraden, Achtung, präsentiert!

Dreifach die Salve, wie es sich gebührt,

Nun über König Ludwigs Sarge töne!

 

Wir denken dankbar dran, wir, Deutschlands Söhne,

Daß er den Kaiser einstmals uns gekürt

Und nach dem Streit, den glorreich wir geführt,

Des Reiches Herold ward in Jugendschöne.

 

Wir denken dran und alles andre weiche,

Wie trüber Nebel vor der Sonne Licht!

Mag’s thun, wer will – wir Krieger richten nicht.

 

Wir senken still die Fahne auf die Leiche,

Im bittern Schmerz die Lippe zuckt und bebt:

„Du bist gestorben – Deine That, die lebt!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johannes Steinbeck                Im Park von Sanssouci

1846 – 1889                                        (Zum 17. August 1886)

 

 

I.

 

Die erste Stunde ist es in der Früh.

Rings schläft der Park, nur leise in den Bäumen

Es rauscht, als ob sie von den Zeiten träumen,

Da Friedrich sah vom schloß herab auf sie.

 

Da flammt es auf von der Terrasse. Sieh!

Aufspringt die Pforte. Aus des Schlosses Räumen

Der große König tritt, ihm nach ohn’ Säumen

Die ganze Tafelrund’ von Sanssouci.

 

Und scharf nach Babelsberg ausspähet Fritz.

So musterte einst seiner Augen Blitz

Die heldenschar von Prag und Lowositz.

 

Dann spricht er, wie am Sarg des großen Ahn:

„Messieurs, der Wilhelm, der hat viel gethan

Und größeres, als wir im Leben sahn!“

 

 

II.

 

Und nach der andern Seite späht er aus,

Wo aus den Bäumen hohe Zinnen ragen,

Wo er sich selbst dereinst in regen Tagen

Ein fürstlich Heim gegründet stolzen Bau’s.

 

Sein „Neu’ Palais“ – kaum findet er’s heraus –

Umfaßt sein Blick. Dann hören sie ihn sagen:

„Auch Fritz ist mein – er hat sich brav geschlagen.

Messieurs, es stehet wohl mit meinem Haus!“

 

Er winkt und näher tritt der Kreis zusammen.

Zwei Worte spricht er – leis’ sie tönen wieder:

„Roßbach und Sedan.“ Wie die Augen flammen!

 

Dann hüllt der Nebel, die von jenseits stammen.

Leis’ dämmernd sinkt der Sommertag hernieder,

Doch überm Park rauscht es wie Aars-Gefieder.

 

 

 

 

 

 

Johannes Steinbeck                Werder tot!

1846 – 1889

 

I.

 

Nacht liegt auf Belfort. Von der Festung Wällen

Schaut schläfrig eine Schildwach in das Land - -

Da plötzlich flammt ringsum der Felsenstrand

Und liegt im Tageslicht, im blendend hellen.

 

Die Gräber springen auf, aus ihnen schnellen

Wie auf Kommando, das Gewehr zur Hand,

Die hier gefallen sind für deutsches Land.

Aus Heldenwunden rote Bäche quellen.

 

Vorüber langsam jetzt an ihnen reitet –

Sie salutierten still – ihr General,

Und grüßend durch die Reih’n sein Auge gleitet.

 

Verschwunden ist das Licht und rings das Thal

In Nacht und Frieden wieder hingebreitet. - -

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Der Franzmann sank, als traf ihn Blitzesstrahl.

 

 

II.

 

In Straßburgs Münster zu derselben Stunde

Beweget Geisterhand den Glockenstrang

Und leise läutet’s – ach, so dumpf und bang! –

Wie Wimmern klingt es aus der Glocken Munde.

 

Durchs stille Thal tönt es in weiter Runde

Und mancher, dem der Ton zu Ohren klang,

Sprach still für sich: „Horch! das ist Grabgesang,

Heut schlug der Tod uns wieder eine Wunde!“

 

Und also war’s. Im fernen Pommernland

Trat zu dem greisen Feldherrn still der Tod,

Dem er so oft im Feld die Stirne bot.

 

Kein Streiten gab’s. Sie gingen Hand in Hand –

Nun aber klagt’s im weiten Vaterland’:

„Der Held von Belfort, unser Werder, tot!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johannes Steinbeck                Am Neujahrsmorgen

1846 – 1889

Der Riegel klirrt, und von dem Zauberworte

Des Schicksals aufgesprengt, umstrahlt vom Licht,

Das aus der Hoffnung ew’gen Lampe bricht,

Thut weit sich auf des neuen Jahres Pforte.

 

Du trittst hinein. Da hebt am neuen Orte

Der alte Kampf des Wunsches mit der Pflicht

Entgegen dir sein hartes Angesicht –

Es ist dasselbe Los – so hier, wie dorte!

 

Und doch, mein Herz, laß sinken nicht den Mut,

Und doch den Blick heb zu den Sternen du!

Eins bleibt dir doch, was dir Genüge thut:

 

Ob dir die Sonne neigt sich schon zur Ruh,

Noch kommt dein Thun den Brüdern hier zu gut.

Dich lohnt ihr Glück. – So, Wandrer, schreite zu!

 

 

 

 

 

 

 

Johannes Steinbeck                Die Roten Tage im August

1846 – 1889

Das sind die roten Tage des August.

Sie steigen aus dem Grab mit Schwert und Lanze

Und schweben vor mir auf im Horentanze,

Die blut’gen Male auf der Heldenbrust.

 

Dich Weißenburg, dich Wörth – o bitt’re Lust!

Dich schau ich, Spichern, hoch auf Bergesschanze.

Courcelles, La Tour im blutgen Loorbeerkranze,

Und Gravelotte begrüß’ ich siegsbewußt.

 

Dort seh ich noch zwei blutge Schatten ragen,

Von Beaumont dir und Noisseville sie sagen,

Und Sieg verkünd’t das Mal auf ihrer Brust.

 

Heil euch, ihr roten Tage des August!

Wie teuer wir erkaufen euch gemußt,

Das sollen Kinder noch und Enkel klagen.